active energy building in Vaduz

6. Juli 2020

Foto: Architekturjournalist Rolf Mauer

In Liechtenstein findet man hervorragende Architektur auf engstem Raum. Das neue, futuristische Mehrfamilienhaus „active energy building“ in Vaduz, geplant von den Architekten Anton Falkeis und Cornelia Falkeis-Senne, steht nur ein paar Schritte von Hans Holleins Centrum-Bank entfernt. Das Ende vergangenes Jahr fertig gestellte, ungewöhnliche Wohngebäude produziert mehr Energie als es selbst verbraucht.

Der fünfstöckige Kubus steht im dichten Stadtgefüge von Vaduz in Liechtenstein und enthält zwölf luxuriöse Wohnungen unterschiedlicher Größe mit einer Gesamtnutzfläche von 3.200 Quadratmetern. Die Entwurfsbasis für das forschungsbasierte Projekt active energy building ist, so haben es die Architekten formuliert, ein umfassender Nachhaltigkeitsbegriff, der die gesamte Gebäudestruktur betrachtet und in seiner Eigenlogik formgenerierend wirkt.

Der auffallende Experimentalbau ist das Ergebnis einer langen Forschungsphase. Hinter dem extravaganten Wohnhaus steht ein engagierter Bauherr, der nach einem international geladenen Wettbewerb dem Wiener Büro von Anton Falkeis und Cornelia Falkeis-Senn den Planungsauftrag erteilte. Das gemeinschaftliche Ziel von Bauherr und Architekten war die Entwicklung eines Wohnhauses, das nicht nur sich selbst mit ausreichend Energie versorgt, sondern auch Überschüsse produziert, die in das regionale Stromnetz gespeist werden.

Die Innenarchitektur ist Teil des umfassenden Nachhaltigkeitskonzeptes: Über die gesamte Nutzungsdauer des Gebäudes wird eine höchstmögliche Flexibilität in den Wohnungsgrößen und den Grundrissen ermöglicht. Alternative Raumprogramme können unter Beibehaltung der vorhandenen tragenden Strukturen realisiert werden. Die Statik wurde der Natur abgeschaut. Die Architekten erklärten uns ihre Ansicht, dass strukturelles Wachstum in der Natur gekennzeichnet ist durch ein Addieren von Material an Stellen an denen dies gebraucht wird und durch ein Weglassen dort wo es nicht benötigt wird. Diesem Beispiel folgen sie. Gestalterisch sehr schön ausgeführte A- und V-förmige Stützen aus Fertigteilelementen bilden eine tragende Struktur, die – Ästen gleich – durch das Gebäude wachsen. Die Wände und raumbildenden Elemente sind als Leichtbau ausgeführt und können problemlos entfernt oder versetzt werden.

Das von der Fassade bis in die Innenräume reich detaillierte Gebäude kommt, entgegen der äußeren Anmutung, mit einem minimalistischen Tragwerk aus. Das Gebäude wurde bereits in einer sehr frühen Entwicklungsphase von falkeis²architects und den Fachingenieuren anhand parametrischer Modelle computergestützt als 3D BIM-Modell geplant. Die Architekten erklären hierzu, das sowohl die Stahlkonstruktion als auch die Gussformen für die Fertigteilstützen und die frei geformten Verschattungselemente der Textilfassade anhand der BIM-Daten direkt dem automatisierten Produktionsprozess zugeführt werden konnten.

Foto: Architekturjournalist Rolf Mauer
Foto: Architekturjournalist Rolf Mauer

Der äußere Eindruck einer „Architektur-Maschine“ kommt nicht von ungefähr. Um den Energieeintrag der Photovoltaik Anlage auf dem Dach zu maximieren, wurde ein mechanisches Nachführsystem konstruiert. Die Photovoltaik-Elemente liegen in der Ruheposition flach auf der Dachstruktur. Mit dem Sonnenaufgang heben sie sich aus dieser Position heraus und „strecken“ sich zur Sonne. Für die Ausrichtung der Elemente werden nicht nur der Sonnenstand, sondern auch eine mögliche Verschattung der anderen Flügel berücksichtigt. Basis für die nachhaltige Energietechnik des Gebäudes sind jedoch nicht die auffälligen Solarpaneele, sondern die Energieerzeugung über Geothermie.

Kennzeichnend für die Innenräume ist eine unverkennbar gute Ausführungsqualität innerhalb sehr großzügig geschnittener Grundrisse. In den Wohnbereichen zeichnen LED-Lichtbänder den Grundriss nach. Dunkles Parkett, Galerien, Raumhöhen über zwei Geschoße und geschickt belichtete Galerien und Küchenzeilen zeigen, dass hier sehr hochwertiger und auch teurer Wohnraum entstanden ist. Große Fensterflächen sorgen für helle und freundliche Innenräume. Floral anmutende Deckenausbildungen im Inneren konterkarieren die deutlich ablesbar technisch ausgebildete Fassade. Ein Steuerungssystem erlaubt verschiedene Lichtstimmungen und eine zentrale Regulierung. Flächenleuchten wie die Ondaria von Zumtobel sind in den allgemein genutzten Fluren oder in Aufenthaltsräumen installiert. Dort verbessern sie mit ihren schallabsorbierenden Eigenschaften die Akustik. Dieses Haus setzt Standards, denen andere Architekten folgen werden: Markante Merkmale neuer Architektur werden Energieautarkie und die Nachhaltigkeit der verwendeten Bauprodukte, des Tragwerks und der Nutzung sein. Unsere Gebäude werden nicht „intelligenter“ werden, trotz „smarter“ Gebäudesteuerungen und hochkomplexer technischer Installationen. Jedoch werden Architekten „intelligenter“ planen müssen: Die Gebäudetechnik wird, ebenso wie Tragwerk sowie das Nachhaltigkeits- und Energiekonzept bereits bei den ersten 6B-Skizzen zu berücksichtigen sein. Schon im Entwurf müssen wir überlegen, wie das Gebäude nach der Nutzungsdauer in seine Bestandteile zerlegt werden kann und Rohstofflager für kommende Generationen wird. Schwierig ist das nicht, aber hoch komplex.

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