Was kann das smarte Haus in der Praxis

12. Dezember 2020

Der Übergang von der Nutzung fossiler Energieträger und der Kernenergie zu einer nachhaltigen Energieversorgung mittels erneuerbarer Energien wird von unserer Gesellschaft als Energiewende bezeichnet. Das zu kurz gedacht. Zur Energiewende sollte man auch das Bemühen zählen, den Energiehunger unserer industrialisierten Gesellschaft zu minimieren.  Unsere Gebäude haben einen hohen Energiebedarf, denn wir wollen weder frieren noch unter der heißen Sommersonne leiden, die unsere großzügig verglasten Räume aufheizt.

Der nächste notwendige Schritt zur Energieeinsparung wird die Anwendung smarter Technologien sein. Energie wird zukünftig nur noch bereitgestellt, wenn man sie braucht. Wer findet es nicht toll, wenn die Heizung (oder Kühlung) eines Raumes oder Gebäudes nur dann stattfindet, wenn sich jemand darin aufhält? Unsere mobilen Geräte informieren die Gebäudesteuerung, wenn wir uns zur Arbeitsstätte oder wieder zurück nach Hause begeben. Bereits unsere aktuelle technische Ausstattung kann per GPS und eingebauter Beschleunigungsdetektoren erkennen, wo wir sind und wo wir in einer Stunde sein werden, dabei wird die Verkehrsdichte bereits eingerechnet. Das Smartphone teilt der Technik zuhause oder im Büro mit, wann wir unseren Bestimmungsort erreichen, so dass bereits alle Gebäudeparameter zum rechtzeitigen Heizen und Kühlen eingestellt sind.

Aktuell hemmen berechtigte Sicherheitsbedenken und ein unvermindert anhaltender Innovationsschub den Einsatz smarter Technologien. Was heute neu ist, gilt morgen schon als veraltet. Zudem lassen sich Geräte für internationale Märkte, wie sie Amazon, Apple und Google – um nur einige zu nennen –mit regionalen Datenschutznormen  nicht in Einklang bringen. Wie gläsern man als Nutzer wird und welchen Gefahren man sich aussetzt, ist für einen Großteil der Anwender nicht bewertbar; es fehlt an diesbezüglicher Erfahrung und Sensibilität.

Sichere Übertragungen und zuverlässige Authentifizierungen sowie der Schutz vor Cyberangriffen lassen sich nur mit europaweiten Normen und herstellerübergreifenden Standards realisieren. Hier besteht noch ein deutlicher Nachholbedarf. Beispiele für eine erfolgreiche Regulierung sind die Normenreihe DIN EN 50132 für die Videoüberwachung und der neu erschienene Entwurf zur DIN 14676, der zahlreiche Angaben zu funkvernetzten Rauchwarnmeldern und deren Ferninspektion enthält. Aber auch alle Normierung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die grenzenlose Vernetzung eine recht neue Innovation ist, deren Zuverlässigkeit und deren Schwächen sich erst noch zeigen werden.

Smarte Energieverwaltung mit dem EEBUS -Standard

Grau ist alle Theorie und daher sei ein Blick auf den aktuellen Stand der Technik erlaubt. EEBUS steht für eine Kommunikationsschnittstelle, die jedes Gerät und jede technische Plattform unabhängig von Hersteller und Technologie frei nutzen kann. Konkret steht EEBUS für eine gemeinsame und herstellerübergreifende Sprache für Energie im „Internet of Things“ und wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) aufgelegten Förderprogrammes E-Energy entwickelt.

Die Royal BAM Group, das größte niederländische Bauunternehmen, hat mit einem Konsortium aus neun Partnerunternehmen über 240 Reihenhäuser energetisch saniert und unter Zuhilfenahme des EEBUS diese  Gebäude mit einem intelligenten Energiemanagement ausgestattet.

Neben der Erneuerung und Dämmung der Fassade wurde jede Wohnung mit einer Photovoltaik-Anlage und einem sogenannten Energiemodul ausgestattet. Das Energiemodul vernetzt Geräte wie die Photovoltaik-Wechselrichter, das Batteriespeichersystem und die Wärmepumpenheizung. Weil unterschiedliche Geräte verschiedener Hersteller sowie verschiedene Technologien installiert sind und jedes Gerät unter Umständen seine eigene Sprache spricht, erfolgt die eigentliche Kommunikation zwischen den Geräten über den Standard EEBUS. Nur eine standardisierte Kommunikation wie sie mit EEBUS möglich ist, garantiert die uneingeschränkte Konnektivität und Interoperabilität aller Komponenten.

Die neu installierte Technik kann für eine sehr effiziente Nutzung der lokal erzeugten Energie sorgen.  Alle Häuser lassen sich als aktive Verbraucher und Energiespeicher im lokalen Stromnetz einsetzen, etwa um Lastspitzen abzufedern. Die Häuser werden also energietechnisch zusammengeschlossen und funktionieren als ein vom Energieerzeuger steuerbaren Teil der stromversorgenden Industrie.

Smart Home mit dem KNX-Standard

Ein neu erbautes exklusives Einfamilienhaus in der Oberpfalz bietet neben 500 Quadratmetern Wohnfläche eine vollständige Vernetzung aller relevanten technischen Komponenten über das KNX System, einem Bussystem mit offenem Standard für die Gebäudeautomation. KNX trennt die Gerätesteuerung und die Stromversorgung voneinander auf zwei Netze. Beide Netze können unabhängig voneinander oder parallel im Haus verlegt werden. Das kabelgebundene KNX System ist ein internationaler und herstelleroffener Standard, der sich bereits seit zwanzig Jahren bewährt hat.

In diesem Gebäude laufen viele Funktionen, wie die Verschattung und bedarfsgerechte Heizung automatisch ab – mit einem Tastendruck wird das Haus zudem beim Verlassen in den „Schlafmodus“ versetzt. Die Steuerung wird auf einem sogenannter Facility Server des deutschen Anbieters Gira verwaltet.

An dem ausgeklügelten Energiekonzept waren ein System-Integrator, ein Elektroinstallateur und ein Haustechniker beteiligt. Basis des energetischen Konzepts ist eine Kombination von Erdwärme, Solarthermie und Photovoltaik mit diversen Pufferspeichern. Zwei Wärmepumpen mit Flächenkollektoren von ca. 1000 Quadratmetern sind in Kaskaden geschaltet und erwärmen zwei Brauchwasserspeicher mit je 500 Liter Fassungsvermögen und zwei Pufferspeicher à 200 Liter mit unterschiedlichen Vorlauftemperaturen für die Fußbodenheizung sowie einen 300 Liter Kühlpuffer. Letzterer versorgt die Kühldecken im Wohnbereich, im Weinkeller und im Kinoraum. Die zwei Solarthermie-Röhrenkollektoren erhitzen einen weiteren 500 Liter Pufferspeicher, der ebenfalls die zuvor genannten Brauchwasser- und Heizungsspeicher speist. Gibt es einen Überschuss an Erdwärme, wird dieser kontrolliert wieder dem Erdreich zugeführt. Ebenfalls vernetzt ist die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung: Signalisieren CO2- bzw. Feuchte-Sensoren den Bedarf nach Frischluft, startet die Lüftung automatisch.

Zusätzlich erzeugen 30 Photovoltaik-Module mit einer Leistung von 7,8 kWp Eigenstrom, der direkt im Haus verbraucht oder ins Netz eingespeist wird. Große Verbraucher wie Waschmaschine und Trockner werden bei einem Stromüberschuss gestartet. Sichtbar sind die Energiedaten in der Visualisierung auf einem Tablet-Computer. Dort lässt sich einsehen, wie viel Strom erzeugt und wie viel verbraucht wurde, daneben zeigen Diagramme den Tages- oder Wochenverlauf an.

Neben 9 Kilometer Stromleitung wurden etwas mehr als 1 Kilometer KNX Leitungen verlegt – dies ist das elektronische Nervensystem das alles steuert und regelt. Das „Gehirn“, das alle Informationen abfragt, auswertet und steuert ist der bereits erwähnte Facility Server.

Die Tücken der Technik

Technik und das vollständige Zusammenschalten aller Geräte kann auch hilflos machen. Die vernetzten Geräte in unseren Gebäuden können laufend und zusätzlich auch durch unser Verhalten dazulernen. Gleichzeitig wird immer unklarer, was wir mit dieser Technik dürfen. KNX und EEBUS sind offene Standards, der sich seit vielen Jahren bewährt haben. Aber internationale Konzerne wie Google, Amazon oder Apple nutzen diese Standards nicht und entwickeln ihre eigenen Bustechniken, sprich Verbindungsstandards. Das bringt Gefahren mit sich.

Es darf nicht wundern, dass mit der von diesen Konzernen angewandten Technik auch viele Daten erhoben werden, deren Verwertung unseren Blicken entzogen ist. Es ist naiv, anzunehmen, dass es doch wirklich egal ist, wenn Google, um nur einen Konzern zur nennen, weiß, wann der Bewohner morgens im Bad die Heizung einschaltet und wie viel Zeit er für seine Morgenhygiene benötigt. Aber damit wird auch bekannt, wie er sich jeden im Haus verhält. Geänderte Verhaltensweisen können auf eine neue Arbeitsstelle oder auch eine Arbeitslosigkeit hinweisen, wenn der Bewohner über Monate hinweg seinen Tagesablauf ohne feste zeitliche Konstante gestaltet. Für diese Daten könnten sich dann wieder Banken oder Versicherungen interessieren und die Kreditwürdigkeit oder den Versicherungsbedarf neu bewerten. Zwar mögen diese Daten dank der neuen Datenschutzverordnung anonymisiert werden, aber aus vielen verschiedenen anonymen Daten lässt sich eine Person einigermaßen sicher errechnen, zumal Banken und Versicherungen viele verschiedene Datenerhebungen unterschiedlicher Anbieter angeboten werden. Diese Daten sind von großem Wert und wie genau amerikanische Unternehmen die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Gemeinschaft lesen wissen wir nicht.

Ein Beispiel für die Gefahren smarter Technik: Einige amerikanische Farmer kennen das Phänomen, dass sie ihre Traktoren nicht mehr selbst reparieren dürfen. Ein großer Landmaschinenhersteller erlaubt es ihnen nicht, an den gekauften Maschinen Eigenleistungen durchzuführen. So wurde der Fall bekannt, dass die Software eines Traktormodells den Austausch eines Sensors nicht ermöglichte. Der Zugang zur Software über Passwörter ist nur autorisierten Händlern für Reparaturen erlaubt.  Da die verwendete Software urheberrechtlich geschützt ist, wäre der Versuch das Passwort zu knacken ein Verstoß gegen das Urheberrecht. Es ist gut vorstellbar, dass in Zukunft nur noch der Heizungsinstallateur eine Anlage warten darf, der dazu eine teure Lizenz erworben hat. Die Kosten für diese Lizenz muss er natürlich an seine Kunden weiter reichen.

Für die Bewohner eines smarten Gebäudes und ebenso für ihre Architekten und Planer gilt daher: Die verwendete Technik muss zuverlässig sein, ihre Funktion darf nicht dem Diktat Dritter unterworfen sein. Darauf gilt es zu achten.

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