Umbau an einem der ältesten Orte der Welt
Am alten Hafen von Jaffa siedeln Menschen seit der Bronzezeit. Ägyptische Inschriften erwähnen die Stadt bereits um 2000 v. Chr. und sowohl der jüdische Tanach bzw. das alte Testament erzählen im Buch Jona von diesem Ort. Wer hier flaniert, geht vielleicht den gleichen Weg, den der Kreuzfahrer Gottfried von Bouillon nutzte als er um das Jahr 1100 zum Ersten Kreuzzug auszog und die Stadt zur Festung ausbaute.
Seit mehr als 3000 Jahren ist der Hafen der israelischen Stadt Jaffa ein Schmelztiegel, nicht nur von Kulturen, sondern auch von Religionen. An diesem historischen Ort bauten Pitsou Kedem Architects ein altes Gemäuer zu einer knapp 80 Quadratmeter kleinen Wohnung um. Das Architektenteam Irene Goldberg, Raz Melamed und Pitsou Kedem entkernte konsequent ein Gebäude, dessen Alter und Historie nicht bekannt ist und das eigentlich nur aus zwei Räumen besteht.
Die Bebauung am Hafen steht so orientalisch dicht gestaffelt über- und untereinander, dass keine Handbreit Platz zwischen den Gebäuden bleibt. Jedes Stück Mauerwerk trägt nicht nur das eigene Heim, sondern auch das des Nachbarn daneben und vielleicht auch das Haus direkt darüber, wer weiß das schon so genau.
Trotz dieser sehr dichten Besiedlung ist die kleine Wohnung privilegiert gelegen. Sie krönt das vom Hafenkai den Hügel hinauf wachsende geschlossene, in vielen Jahrhunderten gewachsene, Gebäudekonglomerat und hat Zugang zu einem auf dem Hügelkamm gelegenen öffentlichen Platz und den angrenzenden Parkanlagen des Sha´ar Ra´amses Garden und des Abraham Shechterman Garden.
Pitsou Kedem Architects berichten, sie fühlen sich zur architektonischen Wahrheit verpflichtet und orientieren sich am reduzierten Stil der Fünfziger Jahre. In Jaffa war es ihnen wichtig einen zeitgenössischen Minimalismus zu zeigen und den historischen Ort in asketischer Reduktion darzustellen. Was das bedeutet, zeigen sie mit diesem Umbau: Der Hauptraum wurde konsequent auf das historische Mauerwerk zurück gebaut und sämtlicher Putz abgeschlagen. Alle vorherigen Umbauten, Veränderungen und Ergänzungen wurden entfernt. Übrig blieben ein archaisch anmutender, unverkleideter, massiver Naturstein der deutliche Bearbeitungsspuren zeigt und von einem Kreuzgewölbe gekrönt wird.
Wer die Wohnung betritt steht unmittelbar in Küche und Esszimmer. Linker Hand befindet sich eine einfache Küchenzeile und rechts davon der Esstisch, dazwischen teilen massive Stützen den Raum. Auch wenn die Natursteinstützen viel Platz wegnehmen gliedern sie die Kubatur und lassen diese größer erscheinen.
Pitsou Kedem Architects verzichten hier weitgehend auf Möblierung und vermeiden alle Einbauten die das Raumerlebnis stören könnten. Alles wirkt steinern, massiv, radikal vereinfacht und in einen nicht klar erkennbaren Ursprung zurück versetzt. So scheint sich im Essbereich ein Rundbogen in die Nachbarwohnung fortzusetzen, aber auch wieder nicht, da ein zweiter Rundbogen die vermutete statische Logik unterbricht.
Im Wohnbereich schwenkt der Blick sofort zur kleinen Außenterrasse, die einen unverstellten Blick über das Mittelmeer und den historischen Hafen von Jaffa bietet. Der Rundbogen zu dieser Terrasse ist vollständig verglast und die grazilen Fensterprofile ermöglichen eine ungestörte Aussicht. Von diesem Außenbereich klettert man über eine halsbrecherisch steile Metalltreppe auf eine private Dachterrasse.
Zwischen Wohn- und Essbereich führt der Weg über einen kleinen Flur zum Schlafzimmer. Dass ein Umbau auch Überraschungen bietet erkennt man an der ursprünglichen Planung. Sind es im Grundriss nur zwei Stufen die man zum Schlafraum aufsteigen sollte, sieht man vor Ort, dass der Niveauunterschied nur mit drei Steigungen auszugleichen war.
Im Schlafzimmer fällt dem Besucher sofort die schneckenförmig verglaste freistehende Dusche ins Auge. Hier duscht man auf uneinsehbarer Höhe über dem Hafen mit Blick übers Meer. Erst auf den zweiten Blick fällt die Zeitreise auf, die man mit nur wenigen Schritten hinter sich gebracht hat. Dieser Raum ist Jahrhunderte jünger. Pitsou Kedem Architects spielen mit der unterschiedlichen Historie. Die Decke ist verkleidet und unterteilt, sämtliche Wände sind verputzt und vor den drei Fenstertüren begrenzt ein puristisches Ganzglasgeländer die mit Holz belegte Terrasse.
„Wir haben das Neue mit dem Alten verbunden und die Merkmale beider Epochen beibehalten“, sagen die Architekten und führen fort: „Wir wollten die Räume neu definieren und ein Spannungsfeld zwischen den verschiedenen Zeiträumen schaffen. Die wenigen, reduziert verwendeten Materialien rostfreier Stahl, Terrakotta, Holz, Glas und Corian sind die verbindenden Elemente der beiden so unterschiedlichen (Zeit-)Räume. „
Vor den großen Fenstern dieser Wohnung stehen rechter Hand, nur einen Steinwurf entfernt, die armenische Kirche, die Al-Bahr-Moschee und die Kirche des Heiligen Petrus beieinander. Hier werden gleich drei kulturelle Wahrheiten verkündet. Da passt die mit dieser Wohnung sehr persönlich erzählte und eingangs erwähnte architektonische Wahrheitssuche von Pitsou Kedem Architects sehr gut dazwischen.